Mein neuer Reisebegleiter: Paranodopathie

The story of Wiebke

Ich bin Wiebke, 35 Jahre alt, und lebe seit Oktober 2020 mit einer sehr seltenen neurologischen Autoimmunerkrankung namens Paranodopathie. Innerhalb eines halben Jahres wurde ich von einer lebensfrohen Archäologin im touristischen Eventmanagement zu einem körperlich unselbstständigen Pflegefall.
Aber seit Anfang diesen Jahres geht es mir wieder besser und meine Reise geht weiter. Mal sehen, wo ich ankomme.

Zu meinem neuen Begleiter: Paranodopathie ist eine sehr seltene Variante der ebenfalls seltenen chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP). Wie bei der Multiplen Sklerose wird durch eigene Antikörper das Myelin, das die Nerven als Schutzhülle umgibt, angegriffen. Dadurch können die Nervenreize nicht (mehr) richtig übertragen werden und es kommt zu Funktionstörungen im Körper, wie Muskelschwäche, Missempfindungen und Schmerzen.
Bei CIDP ist hierbei allerdings das periphere und nicht das zentrale Nervensystem wie bei MS betroffen. Paranodopathie ist nochmal etwas spezieller: an den sog. Ranvierschen Schnürringen werden die paranodalen Proteine durch bestimmte Antikörper angegriffen, wodurch die Reize ebenfalls nicht mehr übertragen werden können. Um Paranodopathie zu diagnostizieren, bedarf es Untersuchung auf die paranodalen Antikörper hin, was leider oftmals erst durchgeführt wird, wenn offensichtlich wird, dass die herkömmliche CIDP-Behandlung nicht anschlägt. Dabei kann wertvolle Zeit verloren gehen und die Krankheit unaufhaltsam fortschreiten. Wie bei mir.

Die ersten Symptome traten bei mir im Oktober 2020 in Form von starken migräneartigen Kopfschmerzen, Missempfindungen im Gesicht und Schwäche in den Beinen und Füßen auf. Die Muskelschwäche wurde immer ausgeprägter und wurde schließlich auch von einer zunehmenden Sehschwäche begleitet. Ich torkelte nur noch durch die Gegend und schaffte es über den Jahreswechsel auch nicht mehr ein paar Schritte zu gehen ohne mich irgendwo festzuhalten.

Anfang Januar 2021 kam ich schließlich ins Krankenhaus und erhielt dort bereits nach zwei Tagen die Diagnose CIDP. Es folgte die herkömmliche CIDP-Behandlung mit Plasmapharesen und Immunglobulinen. Mittlerweile ging ich am Rollator und war großer Hoffnung bald wieder gesund zu sein. Zu dem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, was es bedeutet, eine Autoimmunerkrankung zu haben und wie es mein bisheriges Leben in vielen Bereichen ändern wird. Aber eigentlich ist es mir das bis heute nicht..

Zwischen Februar und April pendelte ich zwischen Reha und Krankenhaus, weil sich mein Zustand immer weiter verschlechterte. Zwischenzeitlich bekam ich die Diagnose Paranodopathie und es wurde deutlich, dass ich eine andere Therapie benötigte. Ende März bekam ich die erste Infusion mit dem Immunsuppressivum Rituximab, welches die B-Zellen zerstört aus denen sich die Antikörper entwickeln. Zu diesem Zeitpunkt saß ich aufgrund meines Kraftverlustes bereits im Rollstuhl und wurde immer unselbstständiger. Ich konnte nicht mehr alleine aufstehen und stehen, mich im Bett undrehen,alleine auf Toilette gehen oder an- und ausziehen. Meine Sehschärfe wurde immer schlechter und ich erkannte nur noch verschwommene Farben. Meine Arme und Hände wurden allmählich auch immer schwächer und ich konnte kaum den Rollstuhl bewegen. In der Reha konnte ich bei den meisten Therapien nicht mehr mitmachen, weil mir die Kraft fehlte. Und ich war einfach erschöpft. Am liebsten hätte ich die ganze Zeit nur geschlafen.

Seit Sommer 2021 bin ich wieder zu Hause und versuche mit ganz viel liebevoller Unterstützung mein neues Leben zu meistern. Natürlich war es eine große Herausforderung für meinen Partner und mich. Die Wohnung im Obergeschoss ist ohne Fahrstuhl, das Badezimmer nicht rollstuhlgerecht, ich benötigte bei jeder alltäglichen Tätigkeit Unterstützung. Ich konnte noch nicht einmal meinen Briefverkehr selber durchführen, da ich weder den Brieftext lesen noch den Stift zum Schreiben halten konnte. Es war schrecklich!

Am 11. April bekomme ich die vierte Infusion mit Rituximab und seit Anfang diesen Jahres geht es mir endlich wieder besser. Meine Kraft strömt allmählich wieder durch meinen Körper, ich schaffe es wieder alleine aufzustehen und ein paar Schritte am Rollator zu gehen, den Stift zu halten und ein paar Worte zu schreiben, selbstständig meiner Körperhygiene nachzugehen und meinen Freund ein bisschen im Haushalt zu unterstützen.
Besonders freue ich mich momentan darüber wieder etwas auf unserer Terrasse rumwuseln und den Frühling genießen zu können. Das habe ich letztes Jahr doch sehr vermisst.
Ich habe meine Krankheit angenommen und versuche nun das Beste daraus zu machen. Immer wieder mit neuen Herausforderung. Ich wünsche mir, dass ich im Sommer wieder Treppe steigen und alleine in den Garten kommen kann. Aber auch eine mögliche Wiedereingliederung in meinen Beruf steht auf dem Zettel. Natürlich vorausgesetzt, dass mein Medikament weiterhin wirkt und sich meine Nerven so gut regenerieren wie in den letzten Wochen. Alles andere steht in den Sternen.

Begleitet mich dabei auf meinen Instagram-Kanal @chronisch_unbezwingbar